Alfred Escher - Alfred Escher-Stiftung

Alfred Escher – Kurzbiographie

Der Zürcher Alfred Escher war die herausragende wirtschaftspolitische Persönlichkeit in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Er zählte zu jenen Pionieren der Gründerzeit, die das dynamische Umfeld des jungen Bundesstaates zu nutzen wussten.

Eschers Aufstieg in der kantonalen und eidgenössischen Politik war geradezu kometenhaft: Mit 26 Jahren war er zürcherischer Grossrat und Tagsatzungsgesandter, mit 29 Zürcher Regierungsrat, erstmals Präsident des Zürcher Grossen Rates und eines der jüngsten Mitglieder des 1848 gewählten ersten Nationalrates, mit 30 erstmals Regierungsrats- und Nationalratspräsident. Noch war das neu geschaffene Parlament 1848 nicht zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten, als der 29-jährige Zürcher als eidgenössischer Kommissär in den Kanton Tessin geschickt wurde. Über die ganze Zeit seiner politischen Tätigkeit sass Escher in rund 200 eidgenössischen und zürcherischen Kommissionen, von denen er einen grossen Teil präsidierte. Auf Escher gehen die bis heute gültigen Maximen der schweizerischen Neutralitätspolitik zurück. Sowohl im Neuenburger Konflikt und im Savoyer Handel als auch in der Flüchtlingsproblematik profilierte er sich als pragmatischer Aussenpolitiker, der nicht in erster Linie für militärische, sondern für wirtschaftliche Stärke plädierte.

Eschers «Erfolgsjahrzehnt» dauerte von 1848/49 bis in die frühen 1860er Jahre. In diesem Zeitraum realisierte Escher seine grossen wirtschafts- und kulturpolitischen Gründungen: die Nordostbahn (1852/53), das Eidgenössische Polytechnikum (1854/55, heute ETH Zürich), die Schweizerische Kreditanstalt (1856, heute Credit Suisse) und die Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (1857, heute Swiss Life).

Die Synergien, die er zwischen Politik, Eisenbahn-, Finanz- und Bildungswesen schuf, verhalfen der Schweiz zu einem ungeahnten Aufschwung. Den eigentlichen Motor der wirtschaftlichen Entwicklung stellten der von Alfred Escher massgeblich mitgetragene Entscheid für den privaten Eisenbahnbau und der dadurch entfesselte Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Bahngesellschaften dar. Die Situation erforderte Politiker und Wirtschaftsvertreter, die dank einer starken Hausmacht in Regierung und Parlament in der Lage waren, sich durchzusetzen. Politik und Wirtschaft mussten zusammengehen, um den anstehenden Herausforderungen gewachsen zu sein. Zur Durchsetzung der grossen Infrastrukturvorhaben brauchte es die grundsätzlichen Mehrheiten, die Escher im Nationalrat hatte; es bedurfte des «Systems Escher», das wichtige Ämter und Funktionen, Politik und Wirtschaft zusammenschloss. Escher wusste seine Macht und seine Einflussmöglichkeiten gezielt zum Wohl der Schweiz einzusetzen. Er trug wesentlich zur verkehrstechnischen Erschliessung des Landes und dessen Anschluss an die Welt bei. Die schweizerische Eisenbahnlandschaft prägte er einerseits als Politiker auf kantonaler und eidgenössischer Ebene, andererseits als Direktionspräsident der Nordostbahn und später der Gotthardbahn-Gesellschaft entscheidend.

Im Zusammenhang mit der Nordostbahn gründete Escher auch die Schweizerische Kreditanstalt, die den Ausbau des Eisenbahnnetzes in der Schweiz durch neue Finanzierungsmöglichkeiten vorantrieb. Der Vormarsch des «Dampfrosses» wiederum stiess eine ganze Reihe weiterer wirtschaftlicher Entwicklungen an und veränderte die Gesellschaft nachhaltig. Alfred Escher, an der Spitze der fortschrittlichen, wirtschaftsliberalen Strömungen stehend, ist wie kein anderer berufen, als Personifikation des fulminanten Aufbruchs zur modernen Schweiz ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu gelten.

Sein grösster Erfolg fiel jedoch in die 1870er-Jahre. Escher erkannte die eminente Bedeutung einer Nord-Süd-Verbindung für die Schweiz und verhalf dem Gotthardunternehmen unter Einsatz seiner ganzen Kraft und seines einzigartigen Beziehungsnetzes zum Sieg über die anderen Alpenbahnvorhaben. Mit der erfolgreichen Realisierung des Gotthardprojekts setzte Escher seinem Lebenswerk die Krone auf, und dies paradoxerweise in einer Zeit, die nicht mehr die seine war.

Die einzigartige Epoche des ungehemmten Schweizer Wirtschaftsliberalismus gehörte längst der Vergangenheit an. In Eschers Stammland, dem Kanton Zürich, wurde seinem liberalen System durch die demokratische Bewegung mehr und mehr der Boden entzogen, und auch auf Bundesebene büssten die Liberalen ihre absoluten Mehrheiten ein. Eschers Beziehungsnetz und Machtapparat schrumpften unaufhaltsam, nicht zuletzt auch durch den Tod etlicher wichtiger Weggefährten. Escher selbst, mit allen Facetten seiner Persönlichkeit und namentlich mit seiner Machtfülle, war zu einem Anachronismus geworden. Ausgerechnet das Gotthardprojekt, mit dem er Weltgeschichte schrieb und das den Höhepunkt seines Wirkens zum Wohl der Schweiz darstellte, geriet ihm persönlich zur grössten Niederlage und zur wohl schmerzlichsten Enttäuschung seines Lebens: Alfred Escher wurde 1878 gezwungen, als Direktionspräsident zurückzutreten. Trotzdem gelang ihm vor mehr als 125 Jahren mit der Gotthardbahn ein Jahrhundertprojekt, das von ausländischen Berichterstattern mit dem eben erst fertiggestellten Suezkanal verglichen wurde. Andere erklärten den Bau des Gotthardtunnels zum historischen Ereignis und stellten das Bauwerk in eine Reihe mit den altägyptischen Pyramiden.

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